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Chronik 100 Jahre

An einem nebligen Novemberabend des Jahre 1919 trafen sich zwölf Männer, Freunde zumeist, Brüder im Geiste jedenfalls, und arbeiteten einen verwegenen Plan aus. Sie wollten den Neu-Ulmern mal so richtig den Marsch blasen. Zigarrenrauch sammelte sich unter der niedrigen Decke des kleinen Zimmers. Dann und wann huschte eine Frau herein und brachte neues Flaschenbier. Kurz vor Mitternacht war der Plan fertig ausgearbeitet. Die zwölf zogen ihre Mäntel an und verließen den Ort der Zusammenkunft, verschwanden in verschiedene Richtungen in der Dunkelheit, wo der Nebel alsbald Schritte und Schatten verschluckte.

So beginnen spannende Geschichten.

Dass es Abend war und neblig, ist reine Erfindung. Auch das Flaschenbier, das niedrige Zimmer und der Zigarrenrauch.  Es passt halt so gut, und Nebel ist ja um diese Jahreszeit an der Donau auch eher die Regel als die Ausnahme. Was allerdings nach übereinstimmenden Quellen belegt ist, ist die Zahl zwölf, der November an sich – und jener Abend als Geburtsstunde der heutigen Stadtkapelle Neu-Ulm.

Die Geschichte der heutigen Stadtkapelle Neu-Ulm beginnt also im November 1919, aber sie hat eine Vorgeschichte, die in die Gründung der „Katholischen Arbeitervereins-Kapelle“, den Urvater des heutigen Vereins, mündet.

Nach dem Ende des Ersten Weltkrieges haben die Siegermächte die radikale Verkleinerung des deutschen Heeres im Versailler Vertrag bestimmt; davon betroffen sind auch die Militär-Musikkapellen. Davon betroffen sind auch die Garnisionsstädte Ulm/Neu-Ulm, in denen es –auch durch die Bundesfestung – eine starke militärische Präsenz gab und gibt.

In dieser Situation treffen unter heute nicht mehr näher bekannten Umständen zwölf ehemalige Militärmusiker zusammen mit dem katholischen Stadtpfarrer von Neu-Ulm, Eugen Jochum. „Seine“ Kirche St. Johann Baptist ist ein gutes halbes Jahrhundert vorher als Garnisionskirche gebaut worden; Jochum wirbt dafür, in der Kirche das Militär wieder präsenter zu machen, zum Beispiel durch eine Ausstellung. Es darf also eine gewisse innere Nähe zu den Militärmusikern vermutet werden.

Jochum ist es auch, der den Musikern eine organisatorische Heimat schafft: Die Kapelle wird unter dem Dach des von ihm geschaffenen Katholischen Arbeiterverein Neu-Ulm spielen; als Dirigent prägt der Offenhausener Bäcker und Musiker Josef Lachenmayer ab sofort und für Jahrzehnte das Ensemble.

Die neue Kapelle firmiert als „Katholische Arbeitervereinskapelle“ auch im Adressbuch der Stadt Neu-Ulm; nach drei Monaten sind es bereits zwanzig Musiker, die mitspielen. Im Arbeiterverein hat die Kapelle einen eigenen Ausschuss; 1924 führt sie ihre erste eigene Generalversammlung durch, bei der auch beschlossen wird, eine eigene Standarte anzuschaffen. Musikalisch ist die Kapelle nach eigener Beschreibung in dieser Zeit hauptsächlich mit Kirchen- und Konzertmusik unterwegs, handgeschriebene Arrangements sind es, Blasmusik-Adaptionen sinfonischer Werke. Wenn die Kapelle in dieser Zeit in der Zeitung Erwähnung findet, werden allerdings in der Regel nur die gespielten Märsche erwähnt.